Tagblatt: „Stolz, cool, lustig, großes Herz“

26. Juli 2017

Dem TV Rottenburg gelingt ein Transfer-Coup: Der 38-jährige Weltenbummler Idner Martins, Deutscher Meister mit Friedrichshafen, kommt.

Als Hallodri wird im süddeutschen Raum gerne ein Mensch bezeichnet, der recht locker, leichtlebig und mit einer liebenswerten Schlitzohrigkeit ausgestattet ist. Conny Kurth, die frühere Pressesprecherin des VfB Friedrichshafen und Volleyball-Journalistin, sagt, Idner Martins könnte man auf den ersten Blick einen Hallodri nennen – im positiven Sinne. „‚Idi‘ ist ein total cooler Typ, jemand, der begeistert, total lustig ist, auch etwas durchgedreht.“ Beim Serienmeister VfB Friedrichshafen spielte der Brasilianer gleich zwei Mal: von 2007 bis 2010 und von 2011 bis 2013. War dort Publikumsliebling.
Und wechselt jetzt, als 38-Jähriger, zum TV Rottenburg. Als „wohl größten Transfer der Vereinsgeschichte“ bezeichnete der TVR die Verpflichtung in seiner Pressemitteilung. Es ist zumindest der Spieler mit der wohl interessantesten Sportler-Vita, die der TVR in seinen zehn Jahren Bundesliga geholt hat: Martins spielte schon in fast allen Ecken der Welt (siehe „Von Brasilien über Indonesien bis nach Österreich“), war Deutscher Meister mit Friedrichshafen, zuletzt spielte er in Indonesien.
Rottenburgs Zuspieler Federico Cipollone, der einst in Friedrichshafens Jugend spielte, hatte noch lange Kontakt mit Martins. Und TVR-Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger unterhielt sich in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit dem Außenangreifer. Der TVR habe Martins schon im vergangenen Jahr verpflichten wollen, sagt Manager Philipp Vollmer: „Aber da waren wir finanziell noch sehr weit auseinander.“
Dieses Jahr kamen die Beiden zusammen. Auch, weil der TVR nach dem Abgang von Moritz Karlitzek (zu Rhein Main United Volleys) unbedingt einen erfahrenen Spieler verpflichten wollte, nachdem er auf dieser Position bisher die jungen Johannes Schief (19 Jahre), Tim Grozer (18) und Phillip Trenkler (24) hatte. „Deshalb wollten wir da auch Geld in die Hand nehmen, ohne dass wir uns übernehmen“, sagt Vollmer.
Martins spielt beim TVR unter Profi-Bedingungen, übernimmt auch eine Traineraufgabe bei den Jugendvolleyballern. Der 38-Jährige unterschrieb einen Vertrag gleich für zwei Jahre mit Option auf ein weiteres Jahr. Vollmer: „Das war mir sympathisch, dass er selbst länger bleiben will und wir hier mit ihm auch als Jugendtrainer länger planen können.“
Derzeit ist der Brasilianer im Heimatland seiner Ehefrau, in Portugal. Zwei Kinder haben die Beiden, eine Tochter und einen Sohn. Um diese zu ernähren, reiste Martins um die halbe Erdkugel, um mit Volleyballspielen Geld zu verdienen. Teilweise wie nach Polen zog die Familie mit. Auch nach Brasilien, nachdem Martins erstmals Friedrichshafen verließ und beim Minas TC spielte. Doch in Martins Heimatland wurden Frau und Kinder nicht glücklich und fühlten sich unsicher. Und kehrten schnell wieder nach Friedrichshafen zurück.
Den Publikumsliebling entlassen
Dort war Martins Publikumsliebling, der Spaßvogel in der Mannschaft, der jedem Mitspieler Spitznamen erteilte. Während der Saison 2012/13 verging aber Martins der Spaß: Da entließ ihn der Verein mitten in der Saison. Offiziell aus sportlichen Gründen. Es soll aber auch einen Streit mit dem damaligen VfB-Trainer Stelian Moculescu gegeben haben. „‚Idi‘ ist ein sehr stolzer Typ“, sagt Conny Kurth, „er hat ein großes Herz, aber er will schon verstehen, was man von ihm verlangt, sonst kann er sehr verletzlich sein.“
In Deutschland fühlt sich seine Familie dennoch wohl, das Land ist so etwas wie ihre dritte Heimat geworden. Deshalb zog es den Brasilianer, der mittlerweile auch einen portugiesischen Pass hat, dahin wieder zurück. Auch wenn seine Familie vorerst in Portugal bleiben wird. Trotz des relativ hohen Alters ist Vollmer überzeugt, dass Martins sportlich die Erwartungen erfüllt. Martins trainierte schon mit, machte alle Checks bei Ärzten und Physiotherapeuten. Vollmer: „Er wirkt, finde ich, noch jünger als damals in Friedrichshafen und ist noch spritzig.“ Und große Ziele hat Martins auch, wie Vollmer berichtet: „Er weiß, dass er nicht Deutscher Meister mit uns wird, sprach aber gleich vom Playoff-Viertelfinale und Pokalfinale.“ Der Hallodri.
Von Brasilien über Indonesien bis nach Österreich
Der Englisch und Portugiesisch sprechende Idner Martins ist ein Volleyball-Globetrotter. Hier seine Stationen: Adufsm-Selcao Gaúcha, Barão Ceval, Olympikus, Unisul, Uneb (alles Brasilien), Esmoriz Ginásio Clube (Portugal), Hipo Tirol/Innsbruck (Österreich), Codyeco/Santa Croce (Italien), Iraklis Thessaloniki (Griechenland), VfB Friedrichshafen (Deutschland), Minas TC (Brasilien), ZAKSA Kedzierzyn-Kozle (Polen), V.C. Tyumen (Russland), Palandoken (Türkei), Al Khor Sport Club (Katar) und Jakarta Elektrik PLN (Indonesien).

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